Rakuschische Feierkultur
Das Feiern ist für die Rakuschen nicht nur eine Angelegenheit des Zeitvertreibs, sondern hat eine einende und identitätsstiftende Bedeutung für die Nation. Verschiedene Feste oder das Feiern an sich sind in der rakuschischen Geschichte nicht von ungefähr ein allgegenwärtiges Leitmotiv.
Inhaltsverzeichnis
Die rakuschische Art des Feierns
Das Feiern in Rakuschistan hat im Laufe der Jahrhunderte nicht nur zahlreiche regionale Eigenheiten innerhalb des Landes hervorgebracht, sondern auch viele Merkmale des Feierns, die sich überall in Rakuschistan finden lassen werden.
Kulinarische Genüsse
Zum essentiellen Begleiter einer jeden Festlichkeit ist schon seit langem der St.-Pjottritsch-Wodka geworden. Die traditionsreichste Wodkadestillerie des Landes - und seit der Zerstörung der Dnub-Wodkadestillerie fast konkurrenzlos - stellt das Leib- und Magengetränk der Rakuschen her und erfreut die Landsleute bei besonderen Festen immer wieder mit Sondereditionen.
Sehr selten kommt man in den Genuss des Vettel-Wodkas, der ausschließlich für den Hausgebrauch hergestellt wird und nur zum Joischka-Fest ausgeschenkt wird. Sanfthurtig soll der durch die Sedimente des Druvitschna-Gebirges gefilterte Wodka schmecken.
Trinksprüche
In Erinnerung an den geistigen Vater der rakuschisch-orthodoxen Liturgie Jgnaz Andrejewitsch Kardinal Schtjernow stößt man in Rakuschistan mit den Worten "Kardinal Schtjernow" oder in Kurzform "Schtjern" an.
Der Heimweg
Es ist bei den Rakuschen üblich, nachts zierliche Skulpturen aus Zweigen, Stofffetzen und Gerümpel vor die Tür zu stellen, die vorbeiziehende Feiernde dann zertrümmern können. Es gehört wiederum zur guten Höflichkeit bei Feiernden, diese Figuren auch tatsächlich zu attackieren. Ein Hausbewohner, der am nächsten Tag eine unversehrte Figur am Straßenrand vorfände, wäre sehr gekränkt. Gleichermaßen gilt eine gehörige Lautstärke beim Feiern als wichtiger Aspekt: Mit lautem Gesang in den Straßen - insbesondere auf dem nächtlichen Heimweg - gibt man den hier Wohnenden zu verstehen, dass man sich in ihrer Umgebung besonders wohl und lebendig fühlt. Als Erwiderung dürften die Anwohner dann beim nächsten Mal besonders aufwändige Straßenfiguren vor die Türe stellen, an denen sich die Passanten richtig abarbeiten können.
Betrunkene füttern
Kinder und Betrunkene sagen immer die Wahrheit. In Rakuschistan aber gibt es die weit verbreitete Vorstellung, dass Betrunkene darüber hinaus auch noch die Zukunft voraussagen können; besser gesagt, der Bauch des Betrunkenen kann es. Diese Vorstellung hängt mit dem Aberglauben zusammen, dass mit zunehmenden Betrunkenheitsgrad das das höhrere Bewusstsein des Bauches erwacht. Aus diesem Grund füttern die Rakuschen Betrunkene gerne mit kleinen Naschereien, um von ihrem Bauch die Zukunft zu erfahren. Besondere Weitsicht sagt man daher auch dicken Menschen nach. Brokke Jujuschna, der einen besonders "stattlichen Wanst vor sich her [ge]schleppt"<ref>Hanuman Knülch: Ich unter den Rakuschen - mein Ich oder Anders- Ich? Kaufering 1997.</ref> hat, soll bei einer Hochzeitsfeier so zu Tode gefüttert worden sein. Seine letzte Voraussage war: "Bitte, kein Marzipan mehr!", was tatsächlich der Fall war, da Brokke bereits die gesamte Hochzeitstorte samt Marzipanbesatz vertilgt hatte.
Helden des Feierns
Die Rakuschen sind die wohl einzige Nation, die in einer Tätigkeit wie dem Feiern zahlreichen Persönlichkeiten eine Art Heldenstatus einräumen. Besonders die Akteure der älteren rakuschischen Geschichte sind fast immer mit außergewöhnlichen Feierfähigkeiten ausgestattet gewesen. Aber auch die neuere Geschichte hat viele derartige Helden hervorgebracht. Es ließe sich eine fast endlose Liste an Namen aufführen, es seien aber hier nur die wichtigsten genannt:
Schon von den großen Antipoden der Staatsgründung Bulgur und Bofke werden wahre Wunderdinge in Sachen Feiern berichtet. Es ist nur naheliegend, dass ersterer der Namensgeber für den berühmtesten Feierort Rakuschistans, den Bulguraschkin, ist. Der Vahnsker Graf Morusk III. Vahnskischin hat sich ebenfalls Meriten als unermüdlicher Geber von Festen im rakuschischen Gedächtnis festgeschrieben.
Selbst die Kleriker St. Pjottritsch und besonders Dnib waren mit gepflegter Feierlaune gesegnet. Ersteren hielt davon auch nicht die ihm nachgesagte Alkohol-Abstinenz ab, während letzterer scheinbar überall in Rakuschistan irgendwann einmal mit einem rauschenden Fest hereingeplatzt ist.
Für die große Zeit der Künstler-Partylöwen stehen Valkan Tschopsch und später Maroj Maroj. Beide erreichten das rakuschische Ideal bis zum letzten Atemzug eine hinreißende Feier schmeißen zu können. Bis heute sind die brillanten Trinksprüche Tschopschs in aller Munde, ebenso wie Maroj Marojs Gassenhauer "Hitti hatti moluschwi".
Von Brokke Jujuschna und Anatevka Kvetana darf wohl behauptet werden, dass ihre politische Karriere jeweils durch denkwürdige Feierlichkeiten ins Rollen kamen. Jujuschnas Beliebtheit gründet sich denn wohl auch weniger auf seine Rolle als Politiker als auf seine Persönlichkeit. Wie tief diese Wertschätzung bei den Rakuschen ging, zeigen vielleicht die Beerdigungsfeierlichkeiten 2007 in Bulgurgrad: Vor Tausenden von trauernden Rakuschen betrat der damalige Präsident Bojschitsur Lülpan das Podium, um eine Traueransprache zu halten. Er brachte aber vor Ergriffenheit kein Wort hervor und sagte nur mit tränenerstickter Stimme: "Brokke hat nie einen Fehler gemacht." Es folgten ergreifende Szenen unter den Anwesenden.
Feste und Feierlichkeiten
Das Joischka-Fest
Das Joischka-Fest geht auf das Brauchtum der Druvitschen zurück. Diese veredelten ihren Wodka, indem sie ihn durch die Sedimente des Druvitschna-Gebirges sickern ließen. Von der erhaltenen Menge des so behandelten Wodkas hing vermutlich der Zeitpunkt des Festes ab. Es konnte im Grunde zu jeder Jahreszeit gefeiert werden. Heute wird als Zeitpunkt des Festes der erste Vollmond nach dem St.-Pjottritsch-Tag genommen.
Das Joischka-Fest geht einher mit mythologischen Verkleidungen. Man gibt sich das Äußere von Sagenfiguren, wobei aber nur einer als Vettel der Bär verkleidet sein darf. Dieser besonders trinkfeste Auserwählte tanzt dann ununterbrochen zur Musik - bis auf bestimmte Stärkungspausen, wo er gut durchgebratenes Hammelfleisch und Ziegenkäse essen darf - bis er erschöpft zu Boden sinkt: Dies ist dann gleichzeitig der Höhe- und Schlusspunkt des Feierns.
Eine Rarität des Fests ist der eigens hergestellte Vettel-Wodka. Er wird nur zum Hausgebrauch gebrannt und ist nicht im Handel erhältlich.
Brokke Jujuschna und Anatevka Kvetana zählen zu den denkwürdigsten Vetteln des Joischka-Fests (siehe Druvitschen, Joischka-Fest). Über Jujuschna wird manchmal erzählt, er hätte nur deshalb drei Tage "durchgetanzt", weil er am Ende so betrunken war, dass er sich nicht einmal mehr im Liegen ruhig halten konnte.
Brakhjoischke
Das Brakhjoischke ist eine relativ neue Form des Feierns: Es geht im Grunde darum, mit einigen Freunden in der Fußgängerzone zu sitzen und dort einen entspannten Nachmittag beim gemeinsamen Trinken zu haben. Bei reinen Männergruppen gehört das Umtanzen schöner Frauen ebenfalls zu einem guten Brakhjoischke.
St.-Pjottritsch-Tag
Das Fest des heiligen Pjottritsch ist das vielleicht wichtigste Fest im rakuschischen Jahreskreis. Es wird am 24. Oktober gefeiert.
Landesweit sind dann bei Kindern kleine Katapulte mit Knallfroschmunition in Gebrauch; Familienväter tun sich oft zusammen, um größere Katapulte zu bauen, mit denen man schwerere Gegenstände in die Pravnica schließen kann.
In Lipuschidze wird ein überdimensionaler Wodka-Brunnen betrieben, der an das Wunder des heiligen Pjottritsch erinnert.
Pöschett-Fest
Das Pöschett-Fest ist ein uralter biriskischer Brauch. Die frühesten Zeugnisse davon stammen aus der Zeit der Inseleroberung durch Bulgur. Anlass war die jährliche Prophezeiung des ranghöchsten Propheten - zu Zeiten Bulgurs Pöschett. Dieser musste, bevor er über die Zukunft sprach, erst einmal ein halbes Glas Branntwein trinken und dann zum Besten geben, was im bisherigen Jahr geschehen war, um für die Zuhörer glaubwürdig zu sein. Dann trank er den Rest und prophezeite für das übrige Jahr. Davon leitet sich der Brauch ab, zum Pöschett-Fest ein halbleeres (oder eben -volles) Glas Wodka auf das eigene Fensterbrett zu stellen und sich etwas zu wünschen. Wenn das Glas leer getrunken wurde, kann der Wunsch in Erfüllung gehen. (Es ist verständlich, dass die Bedingungen hierfür meist überaus schnell erfüllt werden.)
Es ist nach wie vor Brauch beim Pöschett-Fest, jeden, der sich gerade in der Gegend aufhält, einzuladen. Das Erscheinen der Eingeladenen wird unbedingt erwartet.
Das Pöschett-Fest hat sich - obwohl ursprünglich eine biriskische Besonderheit - in vielen Gegenden Rakuschistans verbreitet und wird dort mit jeweiligen regionalen Eigenheiten gefeiert. Die exakte Berechnung des Zeitpunkts wird wohl nur noch von einigen traditionell eingestellten Nuovo-Birskern eingehalten. Für gewöhnlich wird das Fest aber irgendwann möglichst in der Mitte des Jahres gefeiert.
Vertragsfest
Im Leben eines jeden Rakuschen kommt der Moment, in dem er sich entscheiden muss, ob er den Gesellschaftsvertrag unterschreiben will oder nicht. Dazu bekommt er von seinen Eltern oder nahen Verwandten eine Ausfertigung des Vertrages ausgehändigt, die er dann durchlesen oder sich vorlesen lassen muss. Alsdann entscheidet er sich zur Unterschrift des Gesellschaftsvertrags - oder eben nicht. Im Anschluss findet eine Feierlichkeit im Familienkreis statt, die für rakuschische Verhältnisse eher besinnliche Züge trägt. In manchen Gegenden erhält der Neuunterzeichner erst jetzt seinen ersten Kosakenstumpel.
Das Vertragsfest fällt immer auf den letzten Donnerstag im August. Im ganzen Land sind dann Stände zu finden, an denen die Verträge und Schreibmaterial erworben werden können. Schwarzmarkthändler und Trickbetrüger nutzen das unübersichtliche Treiben gerne, um Groschenromane, Fußball-Merchandise-Artikel, Strohhalme und Metronome an den Mann zu bringen oder ahnungslose Rakuschen zur Unterschrift von Ausbeuterverträgen zu beschwatzen. Theoretisch darf jeder Rakusche jedes Jahr neu entscheiden, ob er den Gesellschaftsvertrag neu unterschreibt oder nicht. Aus Bequemlichkeit wird von dieser Möglichkeit aber nicht immer Gebrauch gemacht.
Im südlichen Brahnsk hat sich der Brauch entwickelt, das Vertragsfest pompöser zu begehen als anderswo: Nach einer breit angelegten Diskussionsrunde auf dem Zentralen Platz zieht man zum Strand hinunter und feuert aus Haubitzen aufs offene Meer hinaus.
Weihnachten
Das Weihnachtsfest wird auch bei den überwiegend rakuschisch-orthodoxen Rakuschen gefeiert. Die Geschenke bringt nach altem Glauben Kardinal Schtjernow, der in manchen Regionen auch als General oder Admiral bezeichnet wird. Um Bulgurgrad ist daher meist vom Admiral Weihnacht die Rede, der eine Mischung aus Bischofstracht und Militärkluft trägt. Unter seiner prachtvollen Wollmitra fallen Lamettabündel über seine Ohren herab und geben ihm ein festlich-besinnliches Aussehen. Auf Brokke Jujuschnas vorweihnachtliche Bemerkung "Jetzt steht der große General vor der Tür!" soll der sowjetische Außenminister Gromyko mit Verwirrung und Entsetzen reagiert haben.
Manche Rakuschen erzählen ihren Kinder, dass Vjotscheslav Prokopy an Weihnachten vorbeikommen wird, um das Haus abzubrennen, wenn sie nicht artig sind. Dabei kommt auch der verschlagene Dnib ins Spiel, der im schon brennenden Gemäuer die Wodkavorräte austrinkt, bevor das Gebälk zusammenstürzt. Diese Schauergeschichten sind besonders um Lipuschidze verbreitet.
Der übliche rakuschische Weihnachtsgruß ist "Mmhm", oft gefolgt von einem "Hahaa".<ref>Aus voller Brust und mit in der Mitte gehobener Stimme zu sagen. Die Herkunft dieses Grußes ist unbekannt.</ref> Vermutlich geht auf diesen Gruß die landläufige rakuschische Bezeichnung für das Weihnachtsfest zurück: mum-ha-schke ("Mum-Ha-Fest").
Jahreswechsel
Nach landläufiger rakuschischer Überzeugung lässt sich der Jahreswechsel nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt festlegen: Es handelt sich vielmehr um einen allmählichen Prozess, der nach den Weihnachtstagen einsetzt und dann unterschiedlich lange braucht, bis das neue Jahr tatsächlich begonnen hat.
Die wichtige Bestimmung, wann das neue Jahr angefangen hat, wird in Rakuschistan nicht Astronomen und Mathematikern anvertraut. Man verlässt sich lieber auf die Weisheit von Betrunkenen. Dazu versammeln sich üblicherweise Familien und Freunde etwa um den 28./29. Dezember zu einem trinkintensiven Fest. Oft laden auch die Bürgermeister und Dorfvorsteher zu solchen Feierlichkeiten ein. Im Laufe der Zeit kristallisiert sich heraus, wer der Betrunkenste des Festes sein wird. Diesem fällt dann die Verantwortung zu, nach bestem Gewissen die Zeit zu erspüren, zu dem das neue Jahr definitiv bereits begonnen hat. Dies gibt er dann mit einem lauten Ausruf bekannt, was dann kurz aber heftig begossen wird, worauf die Feier endet.
Da ein Fest je nach Trinkfestigkeit ganz unterschiedlich lange dauern kann, führt diese Tradition dazu, dass von Stadt zu Stadt, ja sogar von Haus zu Haus der 1. Januar abweichend datiert wird. Es gibt Quellen, die belegen, dass der 1. Janauar 1977 in Schoykutsk auf den 4. Februar (nicht-rakuschischer Datierung) fiel. In Rakuschistan werden diese Datierungsdiskrepanzen im Laufe des Jahres nach und nach angeglichen, so dass spätestens bis zum Sommer landesweit wieder dieselbe Tageszählung herrscht.
In internationalen Beziehungen kann es jedoch zu Schwierigkeiten kommen: Als der französische Außenminister 1985 einen Staatsbesuch in Rakuschistan für den 8. Januar ankündigte und eine Bestätigung erbat, teilte Brokke Jujuschna den verblüfften französischen Diplomaten mit, dies könne er unmöglich tun: Er wisse ja noch nicht, wann der 8. Januar sein würde. Bis zum heutigen Tag ist noch kein offizieller Vertreter Frankreichs in Rakuschistan gewesen.
Anmerkungen
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